
Die Anzahl der Pferde, die sich aufgrund von Gewaltanwendung durch den Menschen stark verletzten oder gar sterben, liegt zwar im Verborgenen, ist vermutlich aber gar nicht so gering wie man annehmen möchte.
Sei es durch einen Angriff, Unfall, Hunger, Verletzung, vorsätzliche Misshandlung oder Gewalt. Es gibt viele Organisationen, die gegründet wurden, um das Auftreten von Gewalt gegen Pferde im Pferdesport und auch im privaten Bereich zu verhindern. Subtile Gewalt ist dabei ein großes Problem, denn sie ist nicht immer offensichtlich.
Obwohl durch achtsameres Hinschauen das Problem in letzter Zeit immer schlimmer zu werden scheint, gibt es Gewalt in der Pferdehaltung schon sehr lange. In der Vergangenheit missbrauchten Menschen ihre Pferde körperlich, um sie zu unterwerfen. Wenn das nicht funktionierte, peitschten sie sie aus oder setzten sie psychisch unter Druck, bis das Tier (sich) aufgab und die Anforderungen erfüllte. Diese Art des Pferdemissbrauchs ging durch alle Bereiche im Umgang und wurde sogar in Pferdeshows zur Unterhaltung der Zuschauer gezeigt.
Heutzutage wird diese abscheuliche Praxis zwar offiziell nicht mehr praktiziert, aber nicht alle Trainer, Reiter und Pferdehalter haben die notwendigen Schritte unternommen, um eine gewaltfreie Umgebung für das Tier zu gewährleisten.
Gewalt gegen Pferde ist nicht immer sichtbar und muss auch nicht immer brutal sein. Sie findet eher des Öfteren verdeckt oder subtil statt, sodass es schwer ist, diese auch wirklich nachzuweisen. Die versteckte Gewalt wie beispielsweise das Missachten pferdgerechter Bedürfnisse oder subtile Aggressionsformen sowie entwürdigende Handlungen die von der Umwelt häufig gar nicht wahrgenommen werden. Stattdessen spielen sich solche Peinigungen fast unbemerkt ab. Meist handelt es sich sogar um unbewusste oder ungewollte Handlungen des Besitzers gegenüber seinem Pferd, die sich aus schlechten Kenntnissen und Fehlern in Haltung, Umgang, Fütterung sowie Ausbildung und Training leider ergeben. Bis heute sieht man Pferdebesitzer und Reiter die ihre Pferde treten, auspeitschen oder schlagen, weil diese sich nicht fügen oder weil sie sich der Mensch in seiner Position bedroht fühlt.
Ab wann spricht man von subtiler Gewalt?
Wenn jemand etwas tut, was dem Pferd auf geistig, seelischer Ebene schadet, wie zum Beispiel das Aufgeben einer Position oder das Handeln um „gewaltfreien“ Druckaufbau zu entgegen - dann sollte von subtiler Gewalt gesprochen werden. Tatsache ist, dass psychischer Missbrauch mehr Schaden anrichtet als körperlicher Missbrauch und Pferde, die unter psychischer Gewalt leiden, später weniger Annehmlichkeiten und größere Gesundheitsprobleme haben.
Subtile Gewalt durch falsche Haltung und Fütterung
Im Allgemeinen gelten für alle Personen, die Tiere halten, betreuen oder zu betreuen haben, zwei ganz
entscheidende Aspekte. Der Tierhalter muss sein Tier nach seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend gesund ernähren, pflegen und gut unterbringen. Des Weiteren muss er sicherstellen, dass
die artgemäße Bewegung des Tieres möglichst wenig eingeschränkt wird, um Leiden, Schäden oder Schmerzen zu vermeiden. Die Haltungsform dar daher in den meisten Fällen dringlichst überdacht
werden.
Bei der Fütterung sieht es oftmals nicht weniger dramatisch aus. Zu lange Futterpausen, zu wenig rohfaserhaltiges Raufutter, zu gehaltvolle Pferdeweiden, zu viel Kraftfutter, Müsli und allerlei
Leckereien.
Und dann wäre da noch die Sache mit der Bewegung.
Viele Studien zeigen auf, dass extrem viele Pferde, vor allem in den Wintermonaten weniger als zwei Stunde täglich die Gelegenheit bekommen, sich ausgiebig zu bewegen. Den Rest des Tages stehen sie in einer Einzelbox. Nur eine kleine Prozentzahl von Pferden leben in einer Gruppe. Was bedeutet das nun für die Pferde?
Seit einigen Jahren zeigt sich eine sehr besorgniserregende Entwicklung in der Pferdehaltung. Denn die sogenannten Wohlstandskrankheiten nehmen immer mehr zu. Diese sind unter anderem:
● Hormonell bedingte Stoffwechselstörungen,
● Equines Metabolisches Syndrom (EMS)
● Equine Cushing Disease (ECD) oder wie sie jetzt heißt Stoffwechselstörungen,
● Equines Cushing Syndrom (ECS)
● Diabetes Mellitus Typ 2 und
● Hufrehe
Es wird davon ausgegangen, dass Pferde, die älter als 15 Jahre sind, oft an EMS und ECD leiden. Mittlerweile zeigt sich auch, dass Pferde, die jünger als 10 Jahre sind, ebenfalls an diesen Erkrankungen leiden. Die Ursachen dafür liegen in der Bewegungseinschränkung und Überfütterung. Besonders die zuckerhaltigen Futtermittel wie Heu aus Hochenergiegräsern, energiereiche meist für Rinder angelegte Weiden oder zu viel Getreide und Ergänzungsfuttermittel mit Melasse fördern diese schwerwiegenden Erkrankungen.
Einzelhaltung von Pferden schädigt das Wohlbefinden
Pferde sind Herden- bzw. Steppentiere. Demnach ist das Leben in einer Herde für das Pferd lebenswichtig. Daran hat auch das Leben unter Menschen nichts geändert. Selbst wenn alle Bedingungen für das Wohlbefinden des Pferdes wie ausreichend Platz, Freilauf oder Fütterung optimal sind und das Tier eine gute Bindung zu seinem Menschen hat, wird sich ein allein gehaltenes Pferd niemals völlig sicher fühlen und beispielsweise entspannt schlafen können. Ein anderes Tier als Lebensbegleiter kann zwar die Einsamkeit etwas mindern, den so sehr benötigten Artgenossen jedoch nicht ersetzen. Daher kann es nicht oft genug betont werden, dass eine Einzelhaltung ohne jeglichen Kontakt zu anderen Pferden eine äußerst schlimme Form von subtiler Gewalt ist und wahrscheinlich auch den größten Schaden bei einem Pferd verursachen kann. Folglich kann auch eine Beistellziege oder was auch immer, nicht verhindern, dass das Pferd über kurz oder lang Verhaltensprobleme zeigt oder/und in eine depressive Verstimmung verfällt.
Es gibt viele Formen von subtiler Gewalt
Es gibt weitere zahlreiche Formen und Handlungen von subtiler Gewalt, die oft durch Unwissenheit oder Gedankenlosigkeit entstehen. Zum Beispiel:
● Licht- und Luftzufuhr im Stall: Wenig Licht und frische Luft ist krankmachend und führen zu Unwohlsein beim Pferd.
● Stromführende Elektrolitzen in der Box: Diese werden oft gegen das Holzknabbern angebracht, erzeugt jedoch dauerhaften Stress.
● Wassermangel auf der Weide oder verschmutze Futter- und Wassertröge
● Ungenügender Auslauf
● Vernachlässigung der Gesundheits- und Hufpflege
● Der häufige Wechsel von Stall und der Umgebung
● Plötzliche Trennung und willkürliche Zusammenstellung von Pferden oder Boxennachbarn
● Nicht passende oder ungepflegte Sättel, Gebisse oder Geschirre
● Fragwürdige Erziehungsmethoden wie das stundenlange Anbinden bei zappeligen Pferden oder das auslassen von Kraftfutter als Strafe bei Futterneid
Folgen von subtiler Gewalt
Sehr lange hatte man geglaubt, dass das Pferd nur aus Reflexen heraus handeln. Im 17. Jahrhundert gab es die Annahme, dass die Reaktionen der Tiere auf körperliche Gewalt nur eine mechanische Reaktion sei. Denn im Gegensatz zu Menschen hätten Tiere keine Seele und empfinden daher Misshandlungen, ob offen oder verdeckt nur als einen Körperreiz. Und das wiederum hätte keine Folgen bei zukünftigen Geschehnissen. Aus unserer heutigen Sicht war diese Ansicht vom “seelenlosen Tier” abscheulich und zutiefst naturwidrig. Und doch sollte es noch eine ganze Weile dauern, bis das Tier nicht mehr länger als Gegenstand, sondern als leidensfähiges Lebewesen anerkannt wurde. Übrigens ist derzeit Deutschland das einzige Land weltweit, das den Schutz der Tiere im Grundgesetz verankert hat. Trotz alledem gibt es noch immer keine effektiven Gesetze speziell zum Schutz der Pferde, sondern lediglich nur Empfehlungen.
Die Folgen von körperlicher, subtiler Gewalt durch Haltungsfehler, Bewegungsdefizite, falsche Fütterung oder Verschleiß wird auch durch die Lebenserwartung der Pferde deutlich. Einem Hauspferd wird normalerweise eine Lebenserwartung von 25 – 30 Jahren zugesprochen. Die Realität zeigt aber etwas anders, denn tatsächlich liegt in Deutschland die durchschnittliche Lebenserwartung eines Pferdes zwischen 16 – 20 Jahren, vielfach sogar deutlich darunter.
Vermeidung von subtiler Gewalt
Am effektivsten lässt sich subtile Gewalt durch detaillierte Kenntnisse über das Pferd und seine natürlichen Bedürfnisse vermeiden. Hier ist es wichtig, dass jeder Pferdehalter sich selbstkritisch beurteilen kann und auch konstruktive Kritik bei gegebenen Anlässen anbringen und diese auch von anderen zulassen kann.
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